Wasser ist im Bergischen RheinLand die zentrale Ressource – es prägt Landschaft, Kultur und Wirtschaft seit Jahrhunderten. Im Interview sprechen die Vorstände des Agger- und Wupperverbands, Dr. Uwe Moshage und Ingo Noppen, über die historische Bedeutung von Talsperren für den Raum und geben Einblicke in die zukünftige Balance zwischen Wasserversorgung, Hochwasserschutz, Klimaanpassung und nachhaltiger Nutzung.

Wasser prägt das Bergische RheinLand in besonderer Weise: Zahlreiche Flüsse durchziehen die Kulturlandschaft, hier gibt es die höchste Dichte an Talsperren in Deutschland. Wie bewerten Sie die historische Rolle der Talsperren und Flüsse im Raum für die regionale Entwicklung?

Moshage: Viele Talsperren sind um die 100 Jahre alt oder älter. Damals begann die Planung für eine flächendeckende Stromversorgung im Aggertal. Gleichzeitig mussten die Industriebetriebe und die Menschen in den Tälern vor Hochwasser geschützt werden. Dies war 1923 die Geburtsstunde der Aggertalsperrengenossenschaft, die die Aggertalsperre plante, 1927/28 baute und bis heute betreibt. So konnte erreicht werden, dass die zahlreichen produzierenden Betriebe die Wasserkraft gleichmäßig nutzen konnten. Gleichzeitig führte der Bau der Talsperren dazu, dass Menschen und ihr Hab und Gut sowie die Industrieanlagen effektiver geschützt wurden.

Noppen: Wir können dankbar sein, dass unsere Vorfahren die Wasserspeicher in der Region angelegt haben. Die Große Dhünn-Talsperre als zweitgrößte reine Trinkwassertalsperre Deutschlands ging 1988 in Betrieb. Drei unserer Talsperren dienen der Rohwassergewinnung für Trinkwasser, die anderen elf sind Brauchwassertalsperren, deren Aufgabe einerseits der Hochwasserschutz, andererseits die Abgabe von Wasser in Trockenzeiten ist. Mit dem Klimawandel wird das im Spagat zwischen zu viel und zu wenig Wasser mehr und mehr eine Herausforderung:

Die Hochwasserereignisse von 2021 haben auch im Bergischen RheinLand deutliche Spuren hinterlassen. Welche unmittelbaren und langfristigen Folgen hat dies für die Wasserwirtschaft im Agger- und Wuppergebiet und welche Maßnahmen wurden seitdem ergriffen?

Moshage: Das Hochwasserereignis 2021 hat uns deutlich gezeigt, wie wichtig die Talsperren sind, um Wasser zurückzuhalten. Insbesondere nach der Hochwasserkatastrophe haben wir zusätzliche Hochwasserrückhaltebecken und Retentionsflächen geplant. Leider konnte vieles bisher nicht umgesetzt werden, da die Eigentümer nicht bereit sind, Flächen zu veräußern oder zur Verfügung zu stellen. Es fehlen gesetzliche Grundlagen, die es der Kommune oder dem Wasserverband ermöglichen, entsprechende Flächen zu akquirieren, aber auch dafür zu sorgen, dass die Eigentümer, z. B. Landwirte, für entstehende Ernteausfälle angemessen entschädigt werden.

Noppen: Wir haben das „Zukunftsprogramm Hochwasser“ aufgestellt. Darin sind 208 Maßnahmen enthalten, die der Verband für und in enger Zusammenarbeit mit den Kommunen umsetzen wird. Der Zeithorizont ist etwa 20 Jahre und die Kosten liegen nach heutiger Einschätzung bei rund 200 bis 250 Mio. Euro. Das Programm umfasst zum Beispiel zusätzliche Pegel, die Entwicklung einer KI-gestützten Hochwasserprognose, aber auch technischen Hochwasserschutz. Die Umsetzung hängt auch von den personellen Kapazitäten und den finanziellen Mitteln wie z. B. Fördergeldern ab.

Wir können dankbar sein, dass unsere Vorfahren die Wasserspeicher in der Region angelegt haben.

Im Bergischen RheinLand ist das Wetter immer ein entscheidendes Thema. Was bedeutet für Sie der hiesige Regenreichtum?

Moshage: Regen bedeutet mit Blick auf die Trinkwasserversorgung zunächst einmal „Wareneingang“. Gleichzeitig können wir durch Speicherung in der Talsperre Wasser in den Unterlauf der Flüsse abgeben, damit diese nicht austrocknen. Nur so bleibt der Lebensraum Wasser erhalten.

Noppen: Man darf nicht vergessen, dass ohne Regen kein Wasser in den Talsperren ist und damit auch die Freizeitgestaltung eingeschränkt wird. Das betrifft etwa das Segeln auf der Bever-Talsperre. In Zeiten des Klimawandels sind wir deshalb froh, wenn eine gute Mischung der Wetterlagen ohne Extremereignisse herrscht.

Die Talsperren sind zentral für die Trinkwasserversorgung einerseits und die Naherholung der Menschen im Bergischen RheinLand wie auf der Rheinschiene andererseits. Welche Herausforderungen sehen Sie in der Balance zwischen Nutzung und Schutz?

Noppen: An unseren Trinkwassertalsperren hat die Vorsorge Vorrang. Hier ist „sanfter Tourismus“ wie Wandern auf den Wanderwegen möglich. Die Bever-, Wupper-, Lingese- und Brucher-Talsperre können für Freizeitaktivitäten genutzt werden. An der Bever-Talsperre sorgt beispielsweise die Ordnungspartnerschaft für diese Balance.

Moshage: Die Talsperren müssen künftig noch intelligenter gesteuert werden. Hier ist der Aggerverband auf einem guten Weg. So ist die Trinkwasserversorgung der heimischen Bevölkerung für die nächsten Jahrzehnte gesichert. Durch Aufklärung und gezielte Maßnahmen im Bereich des „sanften Tourismus“ erhöhen wir das Verständnis bei den Menschen, dass diese Infrastruktur nicht zum „Nulltarif“ zu haben ist.

Noppen: Hier spielt die Umweltbildung eine wichtige Rolle und wir arbeiten eng mit Kooperationspartnern zusammen. So bietet etwa der :aqualon e.V. jedes Jahr ein Erlebnisprogramm für Kinder und Erwachsene an, um für den Umgang mit der Ressource Wasser zu sensibilisieren.

Die heimischen Ressourcen sind ein endliches Gut. Welche innovative Infrastruktur ist aus Sicht der Wasserwirtschaft notwendig, um die Energie- und Ressourcenwende zu unterstützen?

Noppen: Wir selbst setzen schon viel regenerative Energie ein, wie Wasserkraft, Klärgas und Photovoltaik. Unser Ziel ist es, energieautark zu werden. So bauen wir beispielsweise eine neue Klärschlammverwertungsanlage am Standort Wuppertal-Buchenhofen, deren Wärmeüberschuss ebenfalls einen Versorgungsbeitrag leisten kann.

Moshage: Daneben verfügt der Aggerverband über große Grundstücksflächen. Hier können z. B. Standorte für Anlagen zur Energiegewinnung entstehen, z. B. im Bereich der Photovoltaik. Die hier gewonnene Energie würde zwar zunächst vom Aggerverband verbraucht, fließt aber mittelbar wieder in die Energiebilanzen der Kommunen ein und trägt so zum Ziel „Klimaneutralität der Kommunen“ bei.

Die Talsperren müssen künftig noch intelligenter gesteuert werden.

Nicht nur das Wasser aus Talsperren und Flüssen ist eine wichtige Ressource, auch das Abwasser von Industrie und Kommunen. Wie sollte eine Abwasserbehandlung der Zukunft aussehen, damit die im Abwasser enthaltene Energie und die enthaltenen Stoffe optimal verwertet werden können?

Moshage: Schon heute erzeugen wir über 60% des zum Betrieb der Kläranlagen notwendigen Stroms in Blockheizkraftwerken, die das in den Faulbehältern produzierte Klärgas nutzen. Im Abwasser befinden sich weitere wertvolle Rohstoffe, wie z. B. Phosphor, den wir auf Basis der Klärschlammverordnung ab 2029 rückgewinnen müssen. Ich gehe davon aus, dass sich Kläranlagen in der Zukunft weg von reinen Entsorgungs-, hin zu Recyclinganlagen entwickeln, in denen neben Energie und Phosphor noch weitere Produkte wie etwa Zellstoffe gewonnen werden.

Noppen: Die neue Kommunalabwasserrichtlinie der EU fordert eine bessere Reinigungsleistung, die Entfernung von Spurenstoff en sowie die Energieneutralität von Kläranlagen. Am Standort Leverkusen z. B. planen wir den Neubau einer hochmodernen Kläranlage, die diese Anforderungen erfüllen wird. Die Nutzung von Abwasserwärme aus Kläranlagen und Kanalnetzen wird bereits intensiv geprüft und wird auch zum Einsatz kommen, wo es Sinn macht.

Wasserwissen für alle

Ein Gemeinschaftsprojekt des :aqualon e. V. und der drei Landkreise im Rahmen der REGIONALE 2025 ist eine neue Webseite zum Thema Wasser. Vom Wassermolekül bis zur Talsperre, von der Quelle bis zum Wasserhahn – das Thema bietet unzählige Möglichkeiten zum Lernen und Staunen. Auf der neuen Webseite gibt es allgemeines Wasserwissen mit regionalem Bezug: Wo kann ich im Bergischen RheinLand das Wasser erleben? Welche Themen sind in Wirtschaft, Wissenschaft oder Bildung gerade aktuell? Die Webseite leitet informativ zu vielen relevanten Themen und Seiten.

http://www.bergische-wasserwelt.de/