„Im März 1945 stellte sich mir die Frage: »Wenn jedermann jedermann die geladene Pistole auf die Brust setzen und erschießen kann, wo verbirgt sich in einer solchen Situation ein fahnenflüchtiger Soldat?« Als ich diese Frage für mich beantwortete: »In der Armee, deren Fahnen er verließ«, stand ich wahrscheinlich unter dem Einfluss Chestertons, bei dem ich als Junge gelesen hatte: »Wo verbirgt der Weise ein Blatt? Antwort: Im Walde.« Ich war nicht weise, nicht logisch, nicht einmal konsequent: Nach einer Woche schon war ich rückfällig, hatte mir aber vor dem Rückfall die Frage gestellt: »Worunter verbirgt sich jetzt am besten ein fahnenflüchtiger Soldat?« und mir die Antwort erteilt: »Unter einem Maschinengewehr Modell 1942, das er nicht bedienen kann.« Diese Tarnung war gut gewählt, doch ich war immer noch nicht weise, war immer noch weder logisch noch konsequent.
Das Maschinengewehr wurde mir nach sieben Kilometern zu schwer, und ich versenkte es in einer Jauchegrube nahe bei dem Dörfchen Drinsahl zwischen Waldbröl und Nümbrecht. Das wäre ein pointiertes Kriegsende gewesen. Zum Glück war’s mir nicht vergönnt, den Krieg so pointiert, so schlau zu beenden. Auf dem weiteren Weg nach Haus (meine Frau wohnte zwölf Kilometer weit), verirrte ich mich, geriet statt west- ostwärts, spürte plötzlich, nicht bildlich, sondern wortwörtlich, eine Pistole auf meiner Brust. Die Mündung war hart, sie wurde mir fest gegen’s Herz gedrückt: Es war der letzte (und eindrucksvollste) Gruß der deutschen Wehrmacht.
Informationen zum Böllweg: Böllweg (Streifzug #20)